Green Cities: Wie Städte nachhaltig gestaltet werden und die Umwelt schützen

Moritz v. Bockum-Dolffs
16.09.2023
Green Cities: Wie Städte nachhaltig gestaltet werden und die Umwelt schützen

Wer sich heutzutage in Stellenportalen nach Umweltjobs umschaut, findet immer mehr Angebote von Städten und Landkreisen, die Klimaschutzbeauftragte oder Klimamanager:innen suchen. Diese sollen Klimaschutzkonzepte sowie Energie- und Treibhausgasbilanzen erstellen und Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes entwickeln. Kurzum: Ihre Aufgabe besteht darin, in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Energieversorgern und anderen Akteuren, Städte und Regionen grüner und nachhaltiger zu machen.

Schließlich lebt im Jahr 2023 bereits mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Prognosen lassen sogar den Schluss zu, dass im Jahr 2030 sechs von zehn Menschen Stadtbewohner sein werden. Diese Konzentration auf engem Raum birgt Probleme: Lärm, Umwelt- und insbesondere Luftverschmutzung, Hitzeinseln, um nur einige zu nennen. Mit diesem Hintergrundwissen erscheint es dringender denn je, Städte grün, nachhaltig und umweltbewusst zu gestalten.

Was sind Green Cities genau?

Weder gibt es eine einheitliche Definition für den Ausdruck „Green City“ oder „Grüne Stadt“, noch gibt es eine weltweit gültige Blaupause für nachhaltige Stadtentwicklung – doch das Gesamtpaket umfasst weit mehr als nur die Begrünung verfügbarer Flächen, die der Name ja bereits suggeriert. Solche Städte punkten beispielsweise auch mit der Umsetzung nachhaltiger infrastruktureller Maßnahmen sowie mit einem verantwortungsbewussten Umgang mit den verfügbaren Ressourcen.

Zu den konkreten Maßnahmen, die Städte umsetzen sollten, um Umweltschäden zu minimieren möglichst nachhaltig in eine grüne Zukunft zu steuern, zählen beispielsweise:

  • die Beibehaltung, Pflege und der Ausbau von Parks und anderen Grünflächen
  • der Ausbau von Fuß- und Fahrradwegen
  • der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie die Erhöhung der Attraktivität dieser Angebote
  • Höchstmögliche Deckung des Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien
  • Reduktion der Luftverschmutzung
  • Reduktion des Wasserverbrauchs pro Kopf
  • Vermeidung der Produktion nicht wiederverwertbarer Materialien
  • Einführung und Optimierung eines stadtweiten Recyclingprogramms
  • Verfügbarkeit einer stadtweiten Kompostierung
  • Verwendung nachhaltiger Materialien bei Bauprojekten
  • architektonische Innovationen, die zu mehr Nachhaltigkeit beitragen


Vorteile grüner Städte: Weniger Schadstoffe, niedrigere Temperaturen

Allein die Begrünungsmaßnahmen, die oft im Mittelpunkt der Initiativen stehen, führen zu einer Vielzahl von Vorteilen für Mensch und Tier. Ganz wesentlich ist beispielsweise, dass Pflanzen die Schadstoffkonzentration minimieren und insgesamt zu einer besseren Luft in den Städten beitragen. Die Durchschnittstemperaturen sinken, was angesichts des Klimawandels und der im Sommer in einigen Städten drückenden Hitze ebenfalls vorteilhaft ist. Neue Bäume, Sträucher, begrünte Fassaden und Dächer bieten zudem neuen Lebensraum für diverse Tierarten, mehr Platz für Urban Gardening oder Urban Farming sorgt für Lebensmittel, die keine langen Transportwege benötigen. Nicht zu unterschätzen sind auch die positiven Effekte auf die psychische Gesundheit der Bewohner:innen grüner Städte.

Wien und Tallinn, zwei der grünsten Städte der Welt

Um sich inspirieren zu lassen, lohnt ein Besuch der österreichischen Hauptstadt Wien: Sie landete im Ranking „The World’s 10 Greenest Cities in 2020“ auf Platz eins und erhielt 2022 den „Lee Kuan Yew World City Prize Award“, vergleichbar mit dem Nobelpreis für Nachhaltigkeit und Lebensqualität. Wien setzt schon seit vielen Jahren erfolgreich Maßnahmen um, die die Metropole grüner und nachhaltiger machen.

Dazu gehören einerseits Großprojekte wie der milliardenschwere Ausbau von Fotovoltaik, Großwärmepumpen, Geothermie und Windkraft. Bis 2040 soll die Fernwärme in Wien klimaneutral und gänzlich erdgasfrei produziert werden. Andererseits zählen aber auch Mikromaßnahmen dazu, die aufgrund ihrer Vielzahl genauso auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit einzahlen: Seien es mit Rankpflanzen begrünte Häuserfassaden, mit Blättern bewachsene Bushaltestellen oder Hunderte extra gepflanzter Klimabäume, die mithelfen, Hitzeinseln zu vermeiden und die Luft zu verbessern.

Kostenlose Öffis in Tallinn

Und auch Tallinn kann sich auf die Fahnen schreiben, besonders nachhaltig und innovativ zu sein. Die Hauptstadt Estlands wurde von der Europäischen Kommission zur „Grünen Hauptstadt Europas 2023“ gekürt. Zahlreiche Maßnahmen sind bereits umgesetzt oder in Planung: Regenwasserbewirtschaftungssysteme, sogenannte GoGreenRoutes, auf denen die Einwohner:innen naturbasierte Lösungen und städtisches Gärtnern mitgestalten können, eine 13 Kilometer lange „Bestäuber-Autobahn“ in Form einer natürlichen Wiese, die sich durch die ganze Stadt zieht. Zudem ist der öffentliche Nahverkehr in Tallinn für die Bewohner:innen bereits seit 2013 kostenlos.

Best Practices aus deutschen Städten

Natürlich stehen die Städte Wien und Tallinn nicht allein dar mit ihren Bemühungen hin zu einer grünen und nachhaltigen Metropole – auch andere Städte können Projekte aufweisen, die nachahmenswert sind. In Deutschland hat das ohnehin schon grüne Berlin mit dem Park am Gleisdreieck eine neue, 26 Hektar große Begegnungsstätte geschaffen, die vielseitige grüne Freiflächen zur aktiven Gestaltung bietet. Hamburg hat eine eigene Gründachstrategie entwickelt mit dem Ziel, mindestens 70 Prozent sowohl der Neubauten als auch der sanierungsbedürftigen Dächer zu begrünen. Und München hat gleich 68 konkrete Einzelmaßnahmen festgehalten, um die Stadt bis 2035 in die Klimaneutralität zu führen. Zentrales Element dabei ist das Vorhaben, München zur ersten deutschen Großstadt zu machen, der es gelingt, Gebäude ohne Heizöl und Erdgas zu beheizen.

EU-Programm „Mehr grüne Städte für Europa“

Nach dem Willen der EU sollen noch viel mehr europäische Städte dem Vorbild Wiens, Tallinns und anderen Metropolen folgen, die bereits viel für die Lebensqualität getan haben. Der Staatenbund hat 2021 deshalb das auf drei Jahre ausgelegte Programm „Mehr grüne Städte für Europa“ aufgesetzt, in dem Stand August 2023 Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, die Niederlande, Polen, Portugal, Ungarn und Schweden zusammenarbeiten, um das Thema Stadtgrün und andere Umweltaspekte noch stärker in den Fokus zu nehmen. Schon die erste EU-Kampagne von 2018 bis 2020 ging unter dem Namen „Grüne Städte für ein nachhaltiges Europa“ in eine ähnliche Richtung. 

Als besonderen Anreiz schreibt die EU im Zuge dieses Programms jährlich den „European Green Cities Award“ ausgeschrieben. Damit wird das beste Projekt ausgezeichnet, das durch Innen- oder Außenbegrünung einen nachhaltigen Mehrwert für Mensch und Umwelt schafft und einen Beitrag zur Biodiversität, zu Gesundheit und Wohlbefinden oder für Umweltgerechtigkeit und Klimaschutz leistet. 2022 gewann die niederländische Stadt Alkmaar: Vernachlässigte und versiegelte Flächen wurden in lokale grüne Oasen verwandelt, innerhalb von sieben Jahren sollen so 50.000 Quadratmeter Grünflächen geschaffen werden.