
Fasten zum Jahresende, seriously?
Hätte mir vor ein paar Jahren gesagt das ich freiwillig zum Fasten gehen werde, hätte ich der Person einen pardon Vogel gezeigt. Nicht das ich nicht offen bin für Experimente, aber man muss ja nicht übertreiben.
Nun, es kam dann irgendwann natürlich anders. 2012 war das. Meine Freundin Mira schrieb mir eine Mail: „Mein Kind ist jetzt groß und fast 18 und ich möchte jetzt mal was nur für mich machen, und ich hab überlegt Fasten zu gehen, hast du Lust“ – Ohne zu zögern hab ich sofort ja gesagt. Weil mit Mira ist das sowieso was anderes und überhaupt mag ich Dinge, die man zum ersten Mal macht und wo man nicht weiss was auf einen zukommt. Das ist ein bisschen wie in ein fremdes Land oder Stadt zu fahren. Man hat noch keine Erinnerung dazu, ein köstlicher Zustand. Als Zeitraum hatten wir die Tage, nach Weihnachten, zwischen den Jahren ausgesucht.
Wie mir später klar wurde, ist das ein idealer Zeitraum zum Fasten, denn das sind die Rauhnächte. Wir alle kennen das merkwürdige Gefühl der Woche zwischen Weihnachten und Sylvester, es sind Tage „außerhalb der Zeit“, In vielen Mythologien wird angenommen, dass die Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt werden und die Grenzen zu anderen Welten fielen. Außerdem ist es traditionell eine Zeit das Jahr nochmal anzusehen, was war gut, was möchte ich nicht mitnehmen in das Neue, wie fühle ich mich eigentlich mit allem.
Den Jahreswechsel würden wir also in einem Exerzitien Haus der Diözese Regensburg verbringen, düster und einsam an einem Wald hang gelegen im stillen Tal der Schwarzen Laber. Die Nonnen, die dieses Haus führen sollten sich als ausgesprochen heiter und entspannt und sehr angenehm erweisen.
Auf der Anreise die man schon fastend antreten soll wenn möglich, gehen die Gedankengänge in Hinblick auf Essenentzug ins Absurde.
Da kann man noch so oft heraufbeschwören das es seit jeher in wirklich allen Religionen und Kulturen Fasten ein fester Bestandteil ist, und das es dafür Gründe geben muss. Ich fragte mich im Minutentakt, warum zur Hölle mache ich das? Der Kontrast zum Tag davor, als ich mich noch mit nur wenig schlechten Gewissen der klassischen Weihnachtsschlemmerei hingegeben hatte, hätte nicht größer sein können. Und so saß ich an einem grau-kalten Dezember Tag mit leeren Magen an der Station und wartete auf einen Anschlusszug. Warum zur Hölle…
Es gibt einen Grund warum ich so sehr auf dieses Unbehagen und innere Sträuben der Anreise eingehe. Denn sie steht im totalen Kontrast zur Abreise und Heimfahrt. Ich weiß es klingt vielleicht etwas lame, aber tatsächlich sind die guten und nachhaltigen Erlebnisse und Erkenntnisse im Leben eben nicht zu erreichen wenn du alles wie immer machst. Es ist einfach wichtig die Komfortzone zu verlassen. In diesem Fall, die „Nachweihnachtliche-fress-rumliege-Zeit“ bis Sylvester da ist und man nochmal gepflegt freidrehen kann auf das alte Jahr und sich ganz viel vornimmt.
Wir haben es ja selbst in der Hand, einfach mal etwas anders zu machen.

Wie zum Beispiel sich die Zeit für sich selbst nehmen und ja, Fasten. 5 Tage in der Gruppe Fasten, Wandern, Yoga, Schlafen. Einfach sein. Sich ganz bewusst rausnehmen, sich in eine Situation zu begeben die komplett neu ist und auch ein bisschen beängstigend, weil du dich eben nicht mit Handy, Essen, Non Stop Berieselung ablenkst. Ja gehört schon auch ein bisschen Mut dazu ungefiltert mit sich selbst konfrontiert zu sein. Wie ernst ist es dir denn? Was bist du bereit zu investieren?
Ich kürze das ganze mal ab. Ich habe seit meinem ersten Mal, mittlerweile 4 Jahreswechsel beim Fasten verbracht, immer am selben Ort und es waren die besten Sylvester in meinem Leben. Die Kombination von Fasten, Yoga und Wandern ist einfach gut. Also Knaller gut. Klingt ein bisschen viel Wandern, Yoga und Fasten, ist es aber nicht.
Es ist eine höchst wirksame Mischung von Aktivität, Entspannung und Entlastung, die es dir erlaubt, dich von allem frei zu machen.
Wichtiger Bestandteil ist zum Beispiel auch, oh wie wunderbar, das Ausruhen am Vormittag nach der ersten Yoga Runde. Also verordnetes Schlafen, mit Wärmflasche auf der Leber (hilft ihr zu Entgiften) ,dick eingemummelt im Bett. Man friert nämlich leicht beim Fasten. Fasten ist ein bisschen wie ein kleiner Tod. Aber dann wirst du nachdem du dich getraut hast, mit einer Art Schwebe Zustand belohnt. Du fühlst dich frei und leicht und energiegeladen, zuversichtlich und klar. Fasten Leute sind Wiederholungstäter und das aus gutem Grunde.

Die Kombination von Fasten, Yoga und Wandern ist einfach gut. Also Knaller gut. Klingt ein bisschen viel Wandern, Yoga und Fasten, ist es aber nicht.
Die meisten Fasten Orte haben übrigens auch eine Sauna, und wem etwas schwindlig wird, der teilt sich im wohlig warmen Ruheraum ein eiskaltes Alkoholfreies Weißbier, bestes Isotonisches Sauna Getränk überhaupt. Das Ganze muss nicht so bierernst sein wie es sich anhört. Genuss und Entspannung findet auf vielen Ebenen statt. Kannst du dir vorstellen was das mit dir macht?
Ja man kann zwischen drin mal Kopfweh bekommen, oder vergrätzt sein, das gehört dazu. Das Gute daran ist, allen anderen geht es genauso. Die Gruppe trägt dich, oder lässt dich in Ruhe, je nachdem was du brauchst.
Wir regulieren soviel mit Essen, wir lenken uns ab, decken Frust zu, dämpfen Wut, Essen weil uns langweilig ist, orale Befriedigung Galore. Mit Essen um zu Überleben oder echtem Genuss und Wertschätzung hat das meist nichts mehr zu tun. Am Anfang war meine Hauptmotivation zum Fasten zu gehen das Abnehmen. Dieser Faktor ist natürlich eine schöne Nebenwirkung aber schon lange nicht mehr der Grund warum ich es mindestens einmal im Jahr mache. Es räumt auf, mental und körperlich. Du hältst inne, justierst dich neu, schärfst wo es nötig ist nach.
Du fährst runter und gleichzeitig hoch. Es ist für mich der Inbegriff von Luxus geworden, mir die Zeit zu nehmen um zum Fasten zu fahren oder so in das neue Jahr zu starten. Am 1. Januar auf der Zug Heimreise knallwach, klar und happy und ein paar Kilo leichter zwischen den verfeierten Leuten zu sitzen, aus dem Fenster zu gucken, vor sich hinzuträumen und heimfahren. Unbezahlbar!